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Möglichkeiten körperlicher Geschlechtsangleichung

Es gibt sehr unterschiedliche medizinische Wege, den Körper an das gefühlte Geschlecht anzugleichen. Aber wie genau funktionieren Operationen zur Geschlechtsangleichung? Und was gibt es zu beachten?

Transition – so viel wie nötig, so wenig wie möglich

Ziel einer körperlichen Geschlechtsangleichung – auch Transition genannt – ist es, sich danach im eigenen Geschlechtskörper stimmiger, wohler und zufriedener zu fühlen. Bis vor wenigen Jahren war in der Medizin immer noch die Vorstellung maßgebend, Männer zu Frauen beziehungsweise Frauen zu Männern „umzuwandeln“.

Heute existiert ein erweitertes Verständnis über die Geschlechtskörper und Geschlechtsidentitäten des Menschen. Diese zeigen eine unendliche Vielfalt auf, die immer individuell nuanciert ist. Diese Erkenntnis ist befreiend für diejenigen, die sich vielleicht nur teilweise körperliche Veränderungen wünschen. Niemand sollte sich unter Druck setzen, durch eine Transition die Prototypen Mann oder Frau zu erreichen.

Die Herausforderung ist vielmehr persönlich auszutarieren, wie viel Vermännlichung (Maskulinisierung) beziehungsweise Verweiblichung (Feminisierung) für sich selbst richtig und notwendig ist und wie viel nicht. Es soll gelingen, mit so wenig körperlichen Behandlungen wie möglich, sich im eigenen Körper wohler zu fühlen.

Eine Operation des Genitals betrifft einen der sensibelsten Bereiche unseres Körpers und dieser Teil verdient fürsorgliche Beachtung. In einer Entscheidung zur Operation sollte sich bewusst gemacht werden, dass alle chirurgischen Eingriffe mit Risiken und Komplikationen verbunden sind.

Insbesondere bei der Phalloplastik ist ein erhöhtes Risiko von Komplikationen mit zum Teil mehrfachen Nachoperationen zu bedenken. Erfahrungsberichte (positive, aber auch negative) anderer trans* Menschen über unterschiedliche OP-Techniken verschiedenster Operateur*innen im In- und Ausland können hilfreich sein.

Erst nachdenken, dann entscheiden

Die meisten Menschen nehmen sich für die Entscheidung zur Transition sehr viel Zeit. Alle Schritte der Transition und ihr Ablauf sollten gut überlegt sein, denn die meisten Veränderungen am Körper, ob durch Medikamente oder Operationen, sind ab einem bestimmten Punkt nicht mehr rückgängig zu machen. Wenige treffen diese Entscheidung für sich ganz alleine, die meisten beratschlagen sich in der Familie und/oder mit Freund*innen.

Für viele ist es hilfreich, persönlich mit anderen trans* Personen zu reden, um sich über deren Behandlungserfahrungen auszutauschen. Viele Selbsthilfegruppen bieten dies heute an. In manchen Städten gibt es mittlerweile Trans*-Beratungsstellen, die weiterhelfen.

Es besteht auch die Möglichkeit, sich in der Entscheidungsfindung psychotherapeutische Hilfe zu holen. Da es noch nicht so viele Psychotherapeut*innen gibt, die sich mit dem Thema Trans* auskennen, sollte gezielt nach einer Person gesucht werden, die trans*-positiv eingestellt ist und den Weg der Transition förderlich unterstützen kann.

Ärzt*innen Ihres Vertrauens finden

Es ist ratsam, sich auf der Suche nach den richtigen Ärzt*innen Zeit zu lassen und sich vorher sorgsam zu informieren. Die Kriterien für die Auswahl sind einerseits, dass Ärzt*innen schon Erfahrungen in der Behandlung von trans* Patient*innen haben. Andererseits ist es wichtig, ein Gefühl des Vertrauens zu den Behandler*innen zu spüren. Oft sind hierbei Erfahrungsberichte aus Trans*-Gruppen hilfreich, die meist auch die aktuellen Adressen von empfohlenen Ärzt*innen zur Verfügung stellen.

In der Regel findet vor der Behandlung bei der*dem Ärzt*in ein Vorgespräch zur Aufklärung und Information statt. Es ist völlig in Ordnung, sich noch einen zweiten Termin bei einer*einem anderen Ärzt*in geben zu lassen. Überhastet und vorschnell sollte ein so wichtiger Schritt wie eine Transition nicht unternommen werden.

Die Maskulinisierung des Körpers

Sichtbar maskuline Veränderungen durch Hormone

Zunächst muss in einer körperlichen und einer Laboruntersuchung gecheckt werden, ob eine Behandlung mit Hormonen im individuellen Fall gesundheitlich unbedenklich ist. Die Medizin spricht von „prätherapeutischem Risikoscreening“. Am besten sollten diese Behandlungen von Ärzt*innen, die sich auf Endokrinologie spezialisiert haben, durchgeführt und im weiteren Verlauf begleitet werden.

„Männliche Hormone“ (Testosterone) können per Spritze in einen Muskel injiziert oder mit Gel/Pflaster über die Haut appliziert werden. Werden Testosterone biologisch weiblichen Menschen gegeben, erfolgt im Lauf der Zeit eine Veränderung des Körpers zu dem, was traditionell als männlich angesehen wird. Zu erwartende Änderungen sind ein Absenken der Stimmlage, eine vermehrte Körperbehaarung, Bartwuchs, Zunahme der Muskulatur, ein allmähliches Aussetzen der Menstruation, eine Vergröberung des Hautreliefs und manchmal kann es zu Akne kommen. Im Laufe der Jahre ist auch der Ausfall des Haupthaares möglich.

Manche Endokrinolog*innen empfehlen zu Beginn der Behandlung zusätzlich zum Testosteron die Gabe von „Leuprorelinacetat“, ein Medikament, das die Wirkung der körpereigenen Geschlechtshormone zusätzlich abschwächt.

Maskulinisierende Operationen im Brustbereich (Mastektomie)

Bei maskulinisierenden Operationen im Brustbereich wird zunächst der Brustkörper chirurgisch entfernt und die Brustwarzen an die anatomische Position versetzt. Bei größeren Brüsten bleiben äußerliche Narben, die im Laufe der Zeit abblassen. Ziel ist es, eine flache, dem anatomisch männlichen Bild möglichst analog aussehende Brust zu operieren.

Operative Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken

Manchen trans* Menschen ist es wichtig, im Rahmen einer Maskulinisierung Gebärmutter und Eierstöcke entfernen zu lassen, obwohl diese von außen nicht sichtbar sind. Außerdem wird noch eine „Kolpektomie“ durchgeführt, hierbei handelt es sich um die Entfernung der vaginalen Schleimhaut und den Verschluss der Vagina.

Maskulinisierende Operationen im Genitalbereich

Unter maskulinisierenden Genitaloperationen werden sowohl die „Phalloplastik“ als auch das „Klitorispenoid“ zusammengefasst. Das Klitorispenoid wird in der Fachsprache „Metaidoioplastik“ genannt.

Phalloplastik

Der Penis wird bei der Phalloplastik operativ aus einem Hautlappen konstruiert, der meist aus der Haut des Unterarmes, manchmal auch des Oberschenkels entnommen und an anatomisch korrekter Stelle implantiert wird. Die Wunde an Arm oder Oberschenkel wird mit einem Hauttransplantat gedeckt. Gleichzeitig wird eine funktionierende Harnröhre konstruiert, so dass im Stehen uriniert werden kann. Die Haut der Schamlippen wird zum Hodensack und mit Hodenprothesen aus Silikon gefüllt. Zur Versteifung des Penis ist die Implantation eines Versteifungsimplantates, einer sogenannten Erektionsprothese notwendig. Bei gelungener Operation bleibt die Orgasmusfähigkeit erhalten.

Metaidoioplastik

Wenn die aufwendige Phalloplastik nicht gewünscht ist, ist die Metaidoioplastik eine Alternative. Dabei wird die Klitoris, die meist unter der Behandlung mit Androgenen größer geworden ist, aus der sie umgebenden Haut freigelegt, von den Haltebändern gelöst und nach oben, in eine „männliche“ Position verlegt, wodurch sie zusätzlich Länge gewinnt. Aus den inneren Vulvalippen und eventuell aus der Vaginahaut wird eine Harnröhre gebildet, die von der bestehenden Harnröhrenöffnung bis zur Spitze der nach oben verlegten Klitoris reicht, so dass im Stehen uriniert werden kann. Bei regelrechtem Operationsverlauf bleibt die Orgasmusfähigkeit erhalten.

Die Feminisierung des Körpers

Sichtbare feminine Veränderungen durch Hormone

Auch die Behandlung mit feminisierenden Medikamenten wird von Ärzt*innen für Endokrinologie durchgeführt. Zunächst ist ein prätherapeutisches Risikoscreening notwendig. Weibliche Hormone (Östrogene) können als Tabletten oder über Gels/Pflaster gegeben werden. Manche Endokrinolog*innen empfehlen zusätzlich zu den Östrogenen sogenannte Antiandrogene. Das sind Medikamente, die noch wirksames körpereigenes Testosteron blocken.

Die Wirkungen dieser Behandlungen zeigen sich in einer allmählichen Feminisierung des Körpers: die Haut wird weicher, die Brust beginnt sich zu vergrößern, Hoden und Genitalien verkleinern sich, die Fähigkeit zur Erektion und Ejakulation nimmt ab, das Körperfett verteilt sich anders und die Körperbehaarung geht langsam zurück. Der Bartwuchs wird unter dem Einfluss von Östrogenen und Antiandrogenen aber nicht gestoppt und auch die Stimmlage verändert sich nicht. Außerdem kann sich das Verlangen nach Sexualität abschwächen.

Feminisierende Operationen im Genitalbereich

Die feminisierende Operation wird in zwei Sitzungen durchgeführt. In der ersten, der aufwendigeren Operation, werden zunächst die Schwellkörper und Hoden entfernt, dann ein Raum zwischen Harnblase und Enddarm geöffnet, in den die Haut des Penis zur Neovagina eingestülpt wird. Aus der Eichel wird die Klitoris, aus der Hodensackhaut werden die Schamlippen gebildet. Nach mehreren Monaten werden in einem zweiten Eingriff kosmetische und funktionelle Korrekturen vorgenommen. Die Fähigkeit zum Orgasmus bleibt in der Regel erhalten.

Feminisierende Operationen im Brustbereich

Diese Operation ist nur notwendig, wenn es unter Einnahme von Östrogenen nicht zu einer ausreichenden Ausbildung einer weiblichen Brust gekommen ist. Operativ werden in der Regel Silikonprothesen implantiert, die in verschiedenen Formen und Ausführungen vorhanden sind. Wichtig ist es, sich vorher gut und ausführlich ärztlich beraten zu lassen.

Feminisierung der Stimme

Ein Erhöhen der Stimmlage kann durch Logopädie geübt werden. Selten wünschen trans* Personen eine Operation der Stimmbänder, wenn die Logopädie nicht zum Erfolg führt.

Korrektur des Adamsapfels

Um den Adamsapfel zu verkleinern, stehen verschiedene Operationsmethoden zur Verfügung, die als sicher und komplikationslos gelten.

Auch trans* Personen können Kinder bekommen

Unter der Einnahme von Hormonen wird im Laufe der Zeit die eigene Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt. Operationen an den Fortpflanzungsorganen mit Entfernung der Keimdrüsen führen sogar zu einer Fortpflanzungsunfähigkeit. Was ist, wenn trotzdem ein Wunsch besteht, eigene Kinder zu bekommen?

Auf jeden Fall ist es ratsam, sich vor der Transition mit dieser Frage auseinanderzusetzen, um den richtigen Zeitpunkt der Konservierung eigener Keimzellen nicht zu verpassen. Am besten ist es, sich spätestens während des Beratungsgespräches in der Endokrinologie über individuelle Möglichkeiten beraten und an Ärzt*innen, die sich mit Fruchtbarkeitsbehandlungen auskennen, überweisen zu lassen.

Ganz kurz: Es gibt – insbesondere für biologisch männliche Personen – die Möglichkeit der „Kryokonservierung“. Dazu werden Keimzellen (Samen- oder Eizellen) mittels flüssigen Stickstoffs tiefgefroren, sie können lange aufbewahrt und zu einem späteren Zeitpunkt zur Befruchtung verwendet werden. Bei Samenzellen funktioniert das sehr gut, bei Eizellen ist die Erfolgsquote geringer.

Biologisch weibliche Menschen stehen im Zuge der Maskulinisierung, spätestens im Zusammenhang mit der operativen Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken vor der Frage, ob sie noch eigene Kinder bekommen können wollen. Wird diese Operation nicht durchgeführt, so besteht zu einem späteren Zeitraum trotz Einnahme von Hormonen die Möglichkeit, eigene Kinder auszutragen. Dazu müssen allerdings über einen bestimmten Zeitraum die männlichen Hormone wieder abgesetzt werden, bis die ursprüngliche Fruchtbarkeit wieder hergestellt ist. Übrigens, keine Angst, die äußerlich sichtbare Vermännlichung ist davon nicht beeinträchtigt.


Autor*in: Annette Güldenring

Kurzbiografie: Annette Güldenring war Fachärzt*in für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter*in der Transgenderambulanz am Westküstenklinikum in Heide. Seit 1979 ist sie aktiv in der Transgenderbewegung, war Anfang der 1980er-Jahre Redakteur*in der Zeitschrift „EZKU – Zeitschrift von Transsexuellen für alle Terraner“. Zahlreiche Vorträge, Workshops und Publikationen zu Transidentität und Transgendergesundheitsversorgung. Mitarbeiter*in im Referat sexuelle Orientierung der DGPPN, Mandatsträger*in der S3-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans*-Gesundheit“ nach den Vorgaben der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. Seit Juli 2017 im geschäftsführenden Vorstand der BVT*. Sie ist zudem seit dem 26.08.2022 Vorsitzende des Fachbeirates der Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld und Preisträger*in des im Juli zum ersten Mal verliehenen Waltraud-Schiffels-Ehrenpreises. Letzte Veröffentlichung: Szücs, Daria/ Köhler, Andreas/ Holthaus, Mika M./ Güldenring, Annette/ Balk, Lena/ Motmans, Joz/ Nieder, Timo O. (2021): „Gesundheit und Gesundheitsversorgung von trans Personen während der COVID‑19-Pandemie: Eine Online-Querschnittstudie in deutschsprachigen Ländern“. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 64. Zuletzt abgerufen am 30.11.2022 von link.springer.com/article/10.1007/s00103-021-03432-8.