Mit Zweifeln zur eigenen Geschlechtsidentität und Transition umgehen
Ich fühle mich unwohl mit dem Geschlecht, in dem ich leben soll. Was können Gründe dafür sein?
Unwohlsein mit dem Geschlecht, in dem man leben soll, kann unterschiedliche Formen annehmen: Manche Personen mögen es nicht, als „Frau“ oder „Mann“ angesprochen zu werden, andere haben das Gefühl, gesellschaftlichen „Frauen“- oder „Männer“-Bildern nicht zu entsprechen, und wieder andere fühlen sich unwohl im eigenen Körper. Manche Menschen fühlen sich hingegen mit ihrem Körper nicht unwohl, aber finden es unangenehm, dass andere aus ihren körperlichen Merkmalen (zum Beispiel Bartschatten, hohe/tiefe Stimme, Körperbau) schließen, sie seien ein „Mädchen“ oder ein „Junge“.
Wie stark dieses Unwohlsein ausgeprägt ist, ist von Person zu Person unterschiedlich. Es kann von leichten Unsicherheiten zu starken Gefühlen von Schmerz oder Leid reichen.
Solches Unwohlsein kann darauf hindeuten, trans* und/oder nicht-binär zu sein. Es kann aber auch andere Gründe haben: Es kann entstehen, wenn Personen in die Pubertät kommen und die Veränderungen des Körpers sich unangenehm anfühlen, oder wenn die gesellschaftlich zugeschriebenen Geschlechterrollen nicht zu den persönlichen Bedürfnissen passen. Manchmal kann ein traumatisches Erlebnis, wie zum Beispiel sexualisierte Gewalt, die Ursache sein. Es gibt viele weitere Gründe und es können mehrere gleichzeitig auf eine Person zutreffen.
Ich bin unsicher, ob ich wirklich trans* bin
Manche Menschen könnten die Frage „Bin ich trans*?“ zwar klar mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten, aber nicht alle Menschen wissen zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens eine eindeutige Antwort darauf. Manchmal braucht es einfach Zeit, um für sich eine passende Antwort zu finden. Außerdem kann sich die Antwort im Laufe des Lebens verändern – auch mehrfach. Wichtig ist, herauszufinden, was sich persönlich gut und richtig anfühlt.
Ich bin (vielleicht) trans* – welche Transitionsmöglichkeiten gibt es?
Mit Transition sind alle Schritte gemeint, die eine Person gehen kann, um sich geschlechtlich zu verändern, beziehungsweise um sich an die empfundene Geschlechtsidentität anzupassen. Eine Transition kann von Person zu Person ganz unterschiedlich aussehen und sich aus unterschiedlichen Teilen zusammensetzen. Dabei kann grob zwischen Transitionsschritten auf folgenden Ebenen unterschieden werden:
- Sozial (zum Beispiel über sich selbst als nicht-binär denken statt als Mädchen/Junge; anderen mitteilen, trans* zu sein; verschiedene Kleidung/Frisuren ausprobieren)
- Juristisch (offizielle Vornamens- und/oder Personenstandsänderung)
- Medizinisch (zum Beispiel Hormonersatztherapie; Epilationsbehandlung; OPs)
Kann ich Transitionsschritte rückgängig machen?
Soziale Transitionsschritte können rückgängig gemacht werden. Das gilt auch für juristische Transitionsschritte, wobei das oft mit einigem Aufwand verbunden ist. Medizinische Schritte können nur teilweise rückgängig gemacht werden. Für Personen, die sich unsicher sind, welche Schritte für sie in Frage kommen, kann es sich also lohnen, erstmal ein paar Dinge aus dem Bereich der sozialen Transition umzusetzen, um auszuprobieren, wie sie sich damit fühlen.
Bei Unsicherheit, welche medizinischen Schritte rückgängig gemacht werden können und welche nicht, kann der Rat von einer*einem Mediziner*in (zum Beispiel Endokrinolog*in oder Chirurg*in), eingeholt werden, die*der Erfahrung mit der Begleitung von Transitionen hat. Wenn Sie Tipps bei der Auswahl benötigen, kann Ihnen folgender Artikel weiterhelfen. Auch LSBTIQ*-Beratungsstellen geben gerne Empfehlungen.
Die eigenen Bedürfnisse ernst nehmen
Wer medizinische Transitionsschritte gehen möchte, wird es in der Regel mit vielen verschiedenen Fachkräften zu tun haben, zum Beispiel Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen. Unbekannten Menschen die eigene Geschichte erzählen zu müssen, kann sehr belastend sein – insbesondere dann, wenn ein großer Leidensdruck besteht und die Person sich sehr nach Veränderungen sehnt.
Fachkräfte haben oft ein bestimmtes Bild davon, was es bedeutet trans* zu sein – das aber nicht unbedingt dem Selbstverständnis der zu beratenden Person entspricht. In dieser Situation ist es manchmal gar nicht so einfach, zu spüren, was die eigenen Wünsche sind und was vielleicht der Druck von außen.
Um sicherzustellen, dass die eigenen Bedürfnisse im Zentrum des Prozesses stehen, kann es hilfreich sein, sich bei und nach Gesprächen mit Fachkräften folgende Fragen zu stellen:
- Fühle ich mich gut nach einem Gespräch?
- Fühle ich mich in meiner Identität und als Person ernst genommen?
- Fühle ich mich in eine bestimmte Richtung gedrängt?
- Habe ich alle Informationen bekommen, die ich brauche?
- Konnte ich alle Fragen stellen, die ich stellen wollte?
Was, wenn eine Transition doch nicht das Richtige für mich ist?
Gründe, eine Transition zu beenden
Manche Personen setzen einige Transitionsschritte um und stellen danach fest, dass das nicht das Richtige für sie ist/war. Für den Wunsch, einzelne Transitionsschritte oder eine komplette Transition zu beenden, gibt es viele verschiedene Gründe:
Manchmal sind es die Reaktionen des gesellschaftlichen Umfelds auf die in einem ersten Schritt vollzogene eigene soziale Transition: Mit der Irritation und den Fragen anderer Leute umgehen zu müssen – zum Beispiel auf eine Vorstellung mit dem selbstgewählten Namen und/oder Pronomen – kann sehr anstrengend sein, sodass einige Personen es weniger herausfordernd finden, wieder den Geburtsnamen und/oder das alte Pronomen zu verwenden. Die eigene Geschlechtsidentität kann sich wieder verändern (zum Beispiel von trans* Mädchen/Junge zu nicht-binär) und manche Transitionsschritte fühlen sich dann weniger passend an.
Andere probieren Hilfsmittel wie Brustsilikoneinlagen oder Packer (Kunststoff-Penis) aus und stellen fest, dass sich das für sie unpassend oder nicht notwendig anfühlt oder sie immer wieder an ihr trans*-Sein erinnert, statt Erleichterung zu schaffen.
Manche Personen, die sich für medizinische Maßnahmen entschieden haben, merken, dass sie zum Beispiel eine Hormonbehandlung körperlich nicht gut vertragen bzw. mit Nebenwirkungen zu kämpfen haben (zum Beispiel Haarausfall oder Libidoverlust). Bei wieder anderen kommt es vielleicht zu Komplikationen bei der geschlechtsangleichenden OP, anhaltenden Schmerzen/Missempfindungen oder anderen Ergebnissen als erhofft.
Was folgt aus einer Re- oder Detransition?
Festzustellen, dass bestimmte Transitionsschritte nicht zu einer*m passen, muss nicht bedeuten, sich nicht länger als trans* zu identifizieren. Es ist zum Beispiel möglich, ein anderes Pronomen auszuprobieren und nach einiger Zeit wieder damit aufzuhören – und sich nichtsdestoweniger weiter als trans* zu sehen.
Manchmal stellen Menschen während einer Transition aber auch für sich fest, dass sie doch nicht trans* sind, sondern wieder in dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht leben wollen. Sie stoppen ihre Transition bzw. machen diese rückgängig, soweit es möglich ist. Dieser Prozess wird auch Re- oder Detransition genannt. Einige Personen, die eine Re- oder Detransition durchlaufen, nennen sich Detransitioner und/oder Desister.
Dabei sind mit Detransitionern in der Regel Personen gemeint, die zuvor eine medizinische Transition durchlaufen haben, also zum Beispiel Hormone verschrieben bekommen oder geschlechtsangleichende OPs in Anspruch genommen haben. Mit Desistern sind Personen gemeint, die eine soziale und/oder juristische Transition durchlaufen haben (zum Beispiel Comingout, Namensänderung), aber keine medizinische.
Manche Personen, die ihre Transition abbrechen oder rückgängig machen, bereuen einzelne Transitionsschritte oder die komplette Transition im Nachhinein. Ebenso kommt es vor, dass Personen ihre Transition zwar abbrechen und/oder rückgängig machen, diese aber nicht bereuen, sondern sie als einen Teil ihres Weges erleben, ohne den sie nicht die Person wären, die sie heute sind – egal, ob sie sich weiterhin als trans* verstehen oder nicht.
Eine Transition zu beenden oder einzelne Schritte davon rückgängig zu machen, kann zu (erheblichen) Schwierigkeiten führen, insbesondere im Kontext medizinischer Maßnahmen. Und sie kann auch Fragen aufwerfen: „Was wird mein Umfeld dazu sagen?“, „Was ist, wenn ich dadurch in meiner trans* Community nicht mehr willkommen bin oder Freund*innen verliere?“, „Wie gehe ich damit um, dass mein Körper sich wieder verändert, wie damit, dass andere mich geschlechtlich wieder anders einordnen?“, „Wie gehe ich damit um, dass mein Körper nicht mehr so wird, wie er vor der Transition einmal war?“.
Vor diesem Hintergrund ist eine umfassende und äußerst differenzierte Beratung durch qualifizierte Fachkräfte unerlässlich. Außerdem kann es hilfreich sein, sich mit anderen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, oder etwas über ihre Erfahrungen zu lesen. Informationen zu Beratungsangeboten finden Sie hier.