Inter* und trans* Geflüchtete richtig unterstützen
Die Verfolgung aufgrund der Geschlechtsidentität ist in Deutschland ein anerkannter Asylgrund. Trotzdem stehen inter* und trans* Geflüchtete vor vielen Problemen. Wenn Sie ehrenamtlich oder beruflich im Bereich Flucht arbeiten, können Sie viel zur Unterstützung von trans* und inter* Geflüchteten beitragen.
Wie weiß ich, ob eine geflüchtete Person trans* oder inter* ist?
Viele trans* und inter* Geflüchtete outen sich (zunächst) nicht, weil sie negative Folgen und weitere Diskriminierung fürchten. Mit Trans*-, Inter*- und LSBTIQ*-Symbolen und sichtbar ausliegenden (mehrsprachigen) Materialien können Sie Offenheit signalisieren und eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Für viele kann es trotzdem eine große Hürde sein, solche Materialien an sich zu nehmen – zum Beispiel aus Angst, infolgedessen in der Unterkunft geoutet zu werden. Deshalb ist es wichtig, den Personen eine anonyme oder geschützte Kontaktaufnahme zu ermöglichen.
Außerdem identifizieren sich nicht alle als „trans*“ oder „inter*“ oder wissen nicht, was diese Begriffe bedeuten. Manche identifizieren sich mit Begriffen zu sexueller Orientierung. Einige inter* Geflüchtete wissen lediglich, dass ihr Körper nicht der (endogeschlechtlichen) Norm entspricht oder dass geschlechtsverändernde Eingriffe vorgenommen wurden. Sorgfältige inter*- und trans*-sensibilisierte Beratung ist dann unabdingbar.
Auch hilft es, grundsätzlich allen Asylsuchenden die verschiedenen Gründe zu erklären, aufgrund derer Asyl beantragt werden kann, inklusive Geschlechtsidentität und/oder sexueller Orientierung.
Welche Probleme gibt es in Asylverfahren?
Asylverfahren stellen eine große Belastung dar. Die für die Verfahren zuständigen Personen sind meist nicht inter*- und trans*-sensibilisiert. Dadurch passiert es recht häufig, dass Geflüchtete misgendert werden und die Fragen, die ihnen zu Körper und Sexualität gestellt werden, übergriffig und teilweise diskriminierend ausfallen. Dem kann durch die Beantragung einer*s „Sonderbeauftragte*n“ beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) begegnet werden, die*der zu Verfolgung wegen Geschlechtsidentität geschult ist.1 Seit dem 01.10.2022 ist zudem eine neue Dienstanweisung beim BAMF in Kraft, die eine weitere Verbesserung der Unterstützung für queere Geflüchtete mit sich bringen soll. Vorgesehen sind beispielsweise Schulungen, die die Mitarbeitenden für die Thematik sensibilisieren sollen.2
Auch ist wichtig, dass inter* und trans* Geflüchteten vor ihrem ersten Interview beim BAMF – oder bestenfalls bereits vor der Antragstellung – der Kontakt mit einer Beratungsstelle für LSBTIQ*- Geflüchtete ermöglicht wird. So können sie sich besser auf die Anhörung vorbereiten und werden im Antragsverfahren unterstützt.
Medizinische Gutachten
Sollte im Rahmen des Asylantrages ein medizinisches Gutachten eingefordert werden, empfiehlt es sich, sich umgehend Rat zu suchen, zum Beispiel bei einer Beratungsstelle für lsbtiq* Personen. Außerdem ist es wichtig, alle Asylgründe abzuklären: Inter* (und trans*) Geflüchtete müssen nicht zwingend Verfolgung aufgrund der Geschlechtsidentität geltend machen, falls auch andere Gründe vorliegen.
Sprachmittlung
Im Idealfall sind Dolmetscher*innen trans*- und inter*-freundlich und kennen die entsprechenden Begrifflichkeiten. Im Asylverfahren können Dolmetscher*innen nicht frei gewählt werden. Es ist aber möglich, den Austausch von Dolmetscher*innen einzufordern. Auch kann beantragt werden, dass die*der Dolmetscher*in weiblich (oder männlich) ist3 und nicht aus dem gleichen Herkunftsland kommt.
Welche Gesundheitsbedarfe haben inter* und trans Geflüchtete?
Viele inter* und trans* Geflüchtete haben spezifische Gesundheitsbedarfe, wie die Verschreibung von Hormonpräparaten und andere geschlechtsangleichende Maßnahmen. Geflüchtete, die einen Aufenthaltstitel haben, sind staatlich krankenversichert. Für sie werden dieselben Kosten übernommen wie für alle anderen Menschen, die in einer gesetzlichen Krankenkasse sind.
Während des Asylverfahrens oder nach einer Ablehnung haben Geflüchtete weniger Anrechte auf eine gesundheitliche Versorgung. Eine Hormonbehandlung kann aber oft trotzdem genehmigt werden.4 Es ist jedoch sehr zu empfehlen, sich zur Kostenübernahme erforderlicher bzw. gewünschter medizinischer und therapeutischer Leistungen im Vorfeld beraten zu lassen. Weitere Informationen hierzu finden Sie hier.
Wie kann ich inter* und trans* Geflüchtete sonst noch unterstützen?
Am besten ist es, Geflüchtete selbst zu fragen, was sie brauchen, sowie aufzuzeigen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt.
Viele Geflüchtete sind Rassismus ausgesetzt – nicht nur in ihrem Lebensalltag, sondern zum Teil auch in Behörden, durch Gesundheitspersonal oder andere Fachkräfte, wenn es diesen beispielsweise noch an notwendigem Wissen und Sensibilisierung mangelt. Auch hierbei gilt es, Geflüchtete entsprechend zu unterstützen. Wichtig ist, Entscheidungen nie ohne Zustimmung der geflüchteten Person zu treffen oder umzusetzen.
Inter* und trans* Personen mit Flucht- oder Migrationserfahrung, die im Bereich Flucht arbeiten, sind oft die besten Ansprechpersonen bei Fragen. Sie können trans*- und inter*-sensible Anlaufstellen und Weiterbildungen empfehlen.
1 Heithoff, Freddie*/Schäfer, Mika (2019): Trans* Geflüchtete Willkommen! Ein Ratgeber für neu zugewanderte und geflüchtete trans* Menschen. Herausgegeben von rubicon e.V. in Kooperation mit dem Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans* NRW. Zuletzt abgerufen am 29.11.2022 von ngvt.nrw/website/wp-content/uploads/2021/02/Trans-Gefluechtete-willkommen_DE.pdf; Held, Nina (2018): Projektbericht – Erfahrungen mit der Anhörung von LSBTIQ* Geflüchteten. Herausgegeben von SOGICA Projekt, Rainbow Refugees Cologne-Support Group e.V., Aidshilfe Düsseldorf e.V., You’re Welcome – Mashallah Düsseldorf, Kölner Flüchtlingsrat e.V. und Projekt Geflüchtete Queere Jugendliche, Fachstelle Queere Jugend NRW / Schwules Netzwerk NRW e.V. Zuletzt abgerufen am 29.11.2022 von https://usir.salford.ac.uk/id/eprint/62124/1/Projektbericht-zur-Anhoerung-von-LSBTIQ-Gefluechteten.pdf.
2 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2022): „Besserer Schutz für queere Geflüchtete“. In: https://www.bmfsfj.de. Zuletzt abgerufen am 29.11.2022 von https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/besserer-schutz-fuer-queere-gefluechtete-202242.
3 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2022): „Die Identifizierung vulnerabler Gruppen im Asylverfahren. Umsetzung in der Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Unter Berücksichtigung der Gewährleistungen nach der Aufnahme- und Verfahrens-Richtlinie der Europäischen Union RL 2013/33/EU RL 2013/32/EU; hier S. 41. Zuletzt abgerufen am 09.01.023 von https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/konzept-identifizierung-vulnerable-personen.pdf?__blob=publicationFile&v=6.
4 Heithoff, Freddie*/Schäfer, Mika (2019): Trans* Geflüchtete Willkommen! Ein Ratgeber für neu zugewanderte und geflüchtete trans* Menschen. Herausgegeben von rubicon e.V. in Kooperation mit dem Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans* NRW. Zuletzt abgerufen am 29.11.2022 von https://ngvt.nrw/website/wp-content/uploads/2021/02/Trans-Gefluechtete-willkommen_DE.pdf.