Trans* Gesundheit und Diskriminierung
Viele Studien belegen, dass trans*feindliche Diskriminierung und Gewalt dazu führen, dass es um die Gesundheit von trans* Menschen wesentlich schlechter bestellt ist als um die von cisgeschlechtlichen Menschen.
So leiden trans* Menschen deutlich häufiger sowohl an psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen und Angststörungen, als auch an körperlichen Erkrankungen, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie haben auch eine deutlich höhere Suizidgefährdung.1
Wie Diskriminierung und Stress krank machen
Trans* Menschen erleben in vielen Lebensbereichen – auch in der Gesundheitsversorgung – Diskriminierung, Gewalt, Ausgrenzung und Stigmatisierung. Hier besteht die Gefahr, dass sie seltener medizinische oder therapeutische Behandlung und Beratung in Anspruch nehmen. Dadurch werden Krankheiten zum Teil nicht oder erst (zu) spät erkannt und behandelt.2
Ebenso bewirkt trans*feindliche Diskriminierung – und die Furcht davor – ein hohes Maß an Stress, was sich über längere Zeiträume sehr negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit auswirkt und so auch die Suizidgefährdung erhöht. Diese Erklärung wird in der Wissenschaft das „Minoritätenstressmodell“ genannt und ist durch Studien belegt.3
Pathologisierung und Ausschlüsse im Gesundheitssystem
Auch das Gesundheitssystem selbst trägt wesentlich dazu bei, dass trans* Menschen pathologisiert und diskriminiert werden und dem daraus resultierenden Stress ausgesetzt sind. Denn in Deutschland gelten trans* Menschen nach wie vor als psychisch krank.
Zwar ist die neue Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-11), die für das deutsche Gesundheitssystem maßgeblich ist, seit dem 01.01.2022 in Kraft und löst damit die vorher gültige ICD-10 ab, die trans* Menschen noch als psychisch krank bezeichnet hat. In der ICD-11 wird trans* Sein hingegen als Zustand sexueller Gesundheit angesehen. Allerdings wird die ICD-11 noch nicht in Deutschland angewendet, da diese noch an die Strukturen des deutschen Gesundheitssystems angepasst werden muss.4 Demgegenüber hätte aber bereits die gesundheitspolitische Entscheidung getroffen werden können, Transgeschlechtlichkeit – unabhängig vom beziehungsweise entgegen der ICD 10 – im deutschen Gesundheitswesen zu entpathologisieren, was beispielsweise Dänemark und Malta getan haben.
Neben der Pathologisierung stellt zudem der lange Weg durch das Gesundheits- und Rechtssystem, der für eine Transition in Deutschland zurückgelegt werden muss, für viele trans* Menschen eine enorme psychische Belastung dar.5
Auch in den Konzepten der gesundheitlichen Prävention werden trans* Menschen trotz spezifischer, und oft höherer, Risiken nicht regelmäßig berücksichtigt.6 Aktuell werden trans* Personen z.B. explizit in die Präventionsstrategie der HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) einbezogen. Um spezifische Bedarfe von trans* und nicht-binären Menschen im Kontext sexueller Gesundheit zu ermitteln, wird derzeit ein vom Bundesgesundheitsministerium gefördertes Kooperationsprojekt der Deutschen Aidshilfe und des Robert-Koch-Instituts (RKI) durchgeführt, das im April 2023 beendet sein soll.7
Sich als trans* Mensch um die eigene Gesundheit kümmern
Damit Diskriminierung und Pathologisierung abgebaut werden, braucht es politische und gesellschaftliche Veränderungen. Trotzdem gibt es auch Dinge, die trans* Menschen tun können, um sich um den Erhalt ihrer Gesundheit zu kümmern. Wichtig ist zum Beispiel, geeignete Mediziner*innen oder Therapeut*innen zu finden, die informiert und vorbehaltslos unterstützend sind. Trans*- und LSBTIQ*-Anlaufstellen können dabei weiterhelfen. Auch (Peer-)Beratung, Austausch in der Community oder aktivistisches Engagement können Unterstützung bieten und die Widerstandsfähigkeit fördern. Eine Übersicht von Beratungsangeboten finden Sie hier.
1 Bundesvereinigung Trans* e.V. (2017): Policy Paper Gesundheit des Bundesverbandes Trans*. Trans*-Gesundheitsversorgung. Forderungen an die medizinischen Instanzen und an die Politik. S. 20-22. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von http://www.bmfsfj.de/blob/120620/0c5e19af792f13569e13407bf0bbf825/trans-gesundheitsversorgung-bv-trans-data.pdf; FRA – European Agency for Fundamental Rights (2014): Being Trans in the European Union. Comparative Analysis of EU LGBT Survey Data. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-being-trans-eu-comparative-0_en.pdf; Center for Disease Control and Prevention (2019): „HIV and Transgender People“. In: cdc.gov, 12.11.2019. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von https://www.cdc.gov/hiv/group/gender/transgender/index.html; Bauer, Greta R. [u. a.] (2015): „Intervenable factors associated with suicide risk in transgender persons: a respondent driven sampling study in Ontario, Canada“. In: BMC Public Health. 2015, 15/525, S. 1-2. Zuletzt abgerufen am 06.12.2022 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4450977/pdf/12889_2015_Article_1867.pdf; Saalfeld, Robin (2021): „Gesundheit für alle?! Zur psychischen Belastung von inter- und transgeschlechtlichen Menschen“. In: Journal Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW, Nr. 47, S. 45 - 50. Abgerufen am 08.12.2022 von https://www.genderopen.de/bitstream/handle/25595/2112/Saalfeld_netzwerk_fgf_journal_47_f_web.pdf?sequence=1.
2 Bundesvereinigung Trans* e.V. (2017): Policy Paper Gesundheit des Bundesverbandes Trans*. Trans*-Gesundheitsversorgung. Forderungen an die medizinischen Instanzen und an die Politik. S. 18-22. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von http://www.bmfsfj.de/blob/120620/0c5e19af792f13569e13407bf0bbf825/trans-gesundheitsversorgung-bv-trans-data.pdf; LesMigraS – Antigewalt- und Antidiskriminierungsbereich der Lesbenberatung Berlin e.V. (Hrsg.) (2012): „‘... nicht so greifbar und doch real‘. Eine quantitative und qualitative Studie zu Gewalt- und (Mehrfach-)Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, bisexuellen Frauen und Trans* in Deutschland.“ S. 104. Zuletzt abgerufen am 06.12.2022 von https://lesmigras.de/wp-content/uploads/2021/11/Dokumentation-Studie-web_sicher.pdf; Leitner, Christine (2019): „Gefährliche Diskriminierung. Medizinische Versorgung von Transgender-Personen“. In: Spiegel Gesundheit, 26.08.2019. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/transgender-diskriminierung-im-krankenhaus-a-1277369.html; Lesben- und Schwulenverband (2020): „Erfahrungen von trans* Menschen in Deutschland“. In: https://www.lsvd.de/. Zuletzt abgerufen am 08.12.2022 von https://www.lsvd.de/de/ct/2628-erfahrungen-von-trans-menschen-in-deutschland.
3 Bundesvereinigung Trans* e.V. (2017): Policy Paper Gesundheit des Bundesverbandes Trans*. Trans*-Gesundheitsversorgung. Forderungen an die medizinischen Instanzen und an die Politik. S. 21-22. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von http://www.bmfsfj.de/blob/120620/0c5e19af792f13569e13407bf0bbf825/trans-gesundheitsversorgung-bv-trans-data.pdf; Szücs, Daria [u. a.] (2021): „Gesundheit und Gesundheitsversorgung von trans Personen während der COVID-19-Pandemie: Eine Online-Querschnittstudie in deutschsprachigen Ländern“. In: Bundesgesundheitsblatt, 64, S. 1452 – 1462; hier S. 1452 - 1453. Zuletzt abgerufen am 08.12.2022 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8496616/pdf/103_2021_Article_3432.pdf.
4 Mocker, Daniela (2022): „Eine neue Klassifikation der Krankheiten“. In: https://www.spektrum.de/. Zuletzt abgerufen am 08.12.2022 von https://www.spektrum.de/news/icd-11-eine-neue-klassifikation-der-krankheiten/1971949.
5 Bundesvereinigung Trans* e.V. (2017): Policy Paper Gesundheit des Bundesverbandes Trans*. Trans*-Gesundheitsversorgung. Forderungen an die medizinischen Instanzen und an die Politik. S. 18-19. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von http://www.bmfsfj.de/blob/120620/0c5e19af792f13569e13407bf0bbf825/trans-gesundheitsversorgung-bv-trans-data.pdf; Schulteß, Franziska (2019): „Schwere Mängel bei der Gesundheitsversorgung von trans* Personen“. In: Siegessäule, 04.12.2019. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von https://www.siegessaeule.de/news/4534-schwere-m%C3%A4ngel-bei-der-gesundheitsversorgung-von-trans-personen/; Schmidt, Luise (2020): „Transition. Ein sicheres Gesundheitssystem für trans* Menschen schaffen“. In: Tagesspiegel, 11.01.2020. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/transition-ein-sicheres-gesundheitssystem-fuer-trans-menschen-schaffen/25386130.html.
6 Bundesvereinigung Trans* e.V. (2017): Policy Paper Gesundheit des Bundesverbandes Trans*. Trans*-Gesundheitsversorgung. Forderungen an die medizinischen Instanzen und an die Politik. S. 20. Zuletzt abgerufen am 06.01.2021 von http://www.bmfsfj.de/blob/120620/0c5e19af792f13569e13407bf0bbf825/trans-gesundheitsversorgung-bv-trans-data.pdf; Knoop, Jana Maria (2018): Sexuelle Gesundheit und strukturelle HIV-Prävention für trans% Menschen. Ausgewählte Programme internationaler Organisationen, Länderbeispiele und Handlungsempfehlungen für Deutschland. S. II; 44 – 45. Zuletzt abgerufen am 08.12.2022 von https://www.aidshilfe.de/system/files_force/documents/ba-knoop-sexuelle-gesundheit-2.pdf?download=1.
7 Deutsche Aidshilfe e.V. (2023): „Sexuelle Gesundheit in trans und nicht-binären Communitys.“ In: https://www.aidshilfe.de/sexuelle-gesundheit-trans-nicht-binaer-communities#4-projektpartner-innen-und-kooperationen. Zuletzt abgerufen am 21.02.2023 von https://www.aidshilfe.de/sexuelle-gesundheit-trans-nicht-binaer-communities#4-projektpartner-innen-und-kooperationen; Bundesministerium für Gesundheit (2022): „Sexuelle Gesundheit und HIV / sexuell übertragbare Infektionen in trans und abinären Communities.“ In: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/. Zuletzt abgerufen am 21.02.2023 von https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/ressortforschung-1/handlungsfelder/gesundheitsfoerderung-und-praevention/sexuelle-gesundheit.html.